Auf Fehlersuche! Aber nicht immer.

Tagebücher von Menschen, die auch in Schreibtischwelten lebten, lese ich gern. Momentan blättere ich in „Against Wind and Tide: Letters and Journals, 1947-1986 “ von Anne Morrow Lindbergh. Es gibt mir das Gefühl, nicht allein zu sein beim öden Überarbeiten meiner Texte.

 

Anne beklagt sich beim Korrigieren ihres Buches, was für eine abscheuliche und unkreative Arbeit das doch ist: Man geht mit Scheuklappen durch den Text und ist nur auf die Fehler fixiert. Das Unkreative an diesem Tun stört mich auch sehr. Schreibend etwas zu gestalten macht mir viel mehr Freude als das Herumdoktern an Kommas und Formulierungen.

 

Dieser Blick, der nur die Fehler sieht, ist oft da. Man findet ihn bei der Vorschuldiagnostik eines Kindes. Die Feinmotorik ist nicht so entwickelt, wie es sein müsste. Das Kind zu dick, zu dünn, zu … Das Kind in seiner einzigartigen Persönlichkeit wird gar nicht gesehen.

 

Beim TÜV läuft es auch so. Das Abblendlicht funktioniert nicht mehr, das und das ist kaputt… und der dezente Rost am linken Kotflügel! Dabei handelt es sich um mein geliebtes Auto. Das Leben so defizitär zu sehen, ist ganz alltäglich. Auch bei mir selbst verfalle ich in dieses Denkraster: das Überarbeiten von Kapitel 3 habe ich nicht geschafft und für eine stringente Argumentation bin ich zu blöd. Ich sehe nur noch, was nicht da ist oder was falsch lief. Die Arbeitsberge, die ich bewältigt habe, scheinen gar nicht zu existieren.

 

Anne Morrow Lindbergh ging es ähnlich. Sie meint mit Blick auf ihr eigenes Schreiben, dass sie mehr getan haben könnte. Ihr Resümee: man kann immer mehr machen, mehr schreiben, mehr arbeiten, mehr tun.

 

Diesen Scheuklappenblick, der lediglich die Fehler sieht, setze ich ab heute nur noch beim Korrekturlesen auf. Alles andere wird als großes Ganzes wahrgenommen. Wer macht mit?

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