Wölfe brauchen kein Theater – wir aber schon

Heute wankt der Boden meiner Schreibtischwelt:

In der Sächsischen Zeitung vom 12.12. findet sich schon auf der Titelseite der Aufhänger: Düsterer Blick in die Zukunft der Oberlausitz. Weiter auf Seite 13 (ausgerechnet) – Der Wirtschaftsforscher Joachim Ragnitz prophezeit Düsteres für die Oberlausitz. „Die Landkarte wird sich leeren.“ Klasse. Wahrscheinlich hat er recht mit der Bestandsaufnahme. Aber muss man das in solch düsteren Farben ausmalen?

 

Man könnte statt eines Wirtschaftsforschers auch mal Glücksforscher befragen, die Tourismusforscher oder die Zeitschrift LandLust. Vermutlich kämen ganz andere Ergebnisse heraus. Hier nun also ein trauriges Bild. Wir wollen es nicht glauben – gerade weil es uns betrifft. Ich bin subjektiv, das gebe ich gerne zu.

 

280860 Einwohner hat der Landkreis Görlitz 2009 laut diesem Zeitungsartikel gehabt. 2030 sollen es 224669 sein. Statistische Tatsachen. Frage an den Wirtschaftsforscher: was fällt ihm spontan zur Oberlausitz ein? „Eine dünn besiedelte Gegend mit wenig Industrie und vielen demografischen Problemen. Und der Wolf, der wieder auf dem Vormarsch ist.“ Es gibt aber auch Stärken, Tourismus, Landwirtschaft, Bautzen geht es ganz gut.

 

„Im Kreis Görlitz sieht es zum Teil noch düsterer aus. Da muss man sich ernsthaft fragen, was man da noch schaffen kann.“ Ragnitz regt Müllverbrennungsanlagen an, da hier weniger Menschen von Lärm und Emissionen betroffen wären. Die SZ hakt nach: Die Lausitz ist aber nicht die Abfallhalde der Nation. Nein, das nicht, aber in den Ecken, wo kaum Leute wohnen… Wir sollten nicht zu sehr der Infrastruktur vertrauen, oder der Lage an der Grenze – eine eigenständige Dynamik kommt nicht von dort.

 

Wie wird also die Oberlausitz in zwanzig Jahren aussehen? „Weniger Menschen, die näher an die existierenden Zentren heranrücken. Diese Zentren werden sich zu prosperierenden Kleinstädten entwickeln. Dort, wo dann niemand mehr wohnt, wird Wald wachsen.“ Für die SZ: Sebastian Kositz.

 

Negative Prophezeiungen hört keiner gern. Düster, mit wenig Hoffnung, aber viel Wald – wie soll man da fröhlich die Oberlausitzer Zukunft gestalten?

 

Zu diesem nicht sehr ermutigenden Artikel kommt ein zweites: Gerade jetzt schlagen die Wellen hoch: die Einsparpläne für das Theater Zittau sind alarmierend. Nach der Fusion mit Görlitz laufen die Diskussionen über die Zukunft der Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau GmbH. Die Ergebnisse sind richtig klasse: Es sollen in Zittau 24 Stellen gestrichen werden, und damit steht u. a. der Wegfall von Weihnachtsmärchen, Kinder- und Jugendarbeit und der Hälfte der Vorstellungen bevor. Für Görlitz sieht man kein großes Einsparpotential!

 

Wieder bin ich befangen. Ich liebe Zittau und sein Theater. Gestern Abend erst war ich bezaubert von der Inszenierung der Weihnachtsgeschichte nach Charles Dickens. Unlängst hat mir Steinbecks „Von Menschen und Mäusen“ den Atem genommen. Damit gehöre ich zu den vielen Menschen, die ihr Theater in Zittau von ganzem Herzen lieben.

 

Was hat das jetzt mit der Zukunft der Oberlausitz zu tun? Ich glaube, wer hier lebt, hat andere Gründe als die Arbeit. Hier lebt, wer etwas liebt: die Familie, die Landschaft, die Menschen, die Gegend, die Kultur. Lukrativere Jobs findet man woanders. Wer hier lebt, will hier leben. Das sollte mit allen Kräften unterstützt werden. Ein Theater – vor allem ein so beliebtes – ist wichtig. Für viele ist es das Herz von Zittau.

 

Natürlich kann man sich der düsteren Prognosen ergeben, kann sich sagen: wozu Kultur, es geht doch sowieso alles den Bach runter. Die Wälder wachsen, die Wölfe heulen – wozu das Theater?

 

Weil wir gern hier leben, unsere Kultur lieben, brauchen und unterstützen. Wollen wir die Oberlausitz zur Wildnis erklären oder wollen wir ein hoffnungsvolles Bild malen?

mehr zu Aktionen für das Theater in Zittau:

www.die-retter.com

 

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