Oft beschließen wir den Abend in meinem Kurs für kreatives Schreiben mit dem Schreiben von Elfchen. Diese Woche schrieben wir zum Thema Herbst. Elfchen sind Gedichte aus elf Worten, die auf fünf Zeilen verteilt werden. Das Schema ist an den Beispielen gut zu erkennen. (1 Wort, 2 Worte, 3 Worte, 4 Worte, 1 Wort)
Es ist erstaunlich, wieviel damit gesagt werden kann.
Hier seht ihr meine Elfchen. Hat man erst eines geschrieben, wollen meist noch weitere aufs Papier. Wenn du magst, dann probiere das aus.
Kastanien
glänzend braun
in der Stachelschale
ich sammle sie auf
Herbstglück
Morgennebel
überm Feld
und rote Rücklichter
vor mir als Leitsterne
Arbeitsweg
Zeitumstellung
ist bald
Gott schenkt dir
eine ganze Stunde sag
Danke
Es
wird dunkler
es wird kälter
Endlich ist es soweit
Bratapfelzeit
Carola ist zusammengeklappt.
Kurz vorher noch
hat sie
alle Lasten getragen
wie immer.
Carola ist zusammengeklappt.
Jetzt schauen alle hin zu ihr.
Wenn das,
was mir
aus der Feder fließt,
Flügel
verleiht.
Beim Nachdenken über ein Gedicht mit "F" fiel mir zuerst das Wort Feder ein. Ich wollte es sofort verwerfen, weil es nach Gänsehaut und aufgescheuchtem Geflügel klang.
Im nächsten Moment war die Schreibfeder da und im übernächsten das ganze Gedicht.
Ich bin dankbar, dass dieses erste Gedicht des Jahres 2024 ein so positives geworden ist. Wo ich die Welt um mich herum so kaputt erlebe.
Es zeigt mir, was ich eigentlich wissen müsste, worum es hier im Blog ja auch seit Jahren geht: Kreativität kann ein Licht anzünden im Dunkeln. Und im besten Fall kann sie uns beflügeln.
Ende, du
schmerzt
mich so lange,
bis ich genau
hinsehe
und erkenne:
du bist ein
Anfang.
Am Ende dieses Jahres teile ich ein Gedicht, das mir viel bedeutet. Weil ich mich mit ihm selbst davon überzeugen möchte, dass Neues auf mich wartet.
Meinen geliebten Beruf als Lehrerin musste ich aufgeben - was kommt nun? Noch weiß ich es nicht.
Das Drumherum
wächst um
das Wesentliche
wie das Fruchtfleisch
um den Pfirsichkern.
Wir laben uns
am Pfirsich
und schmeißen
den Kern weg.
Auf Instagram habe ich gefragt, welche Themen zum Buchstaben D gewünscht sind. Hier ist das Ergebnis.
Danke an Stefanie für den ermutigenden Kommentar unter dem C-Gedicht. Ich habe es mir leichter vorgestellt, wieder ins regelmäßige Veröffentlichen zu kommen. Am Schreiben liegt es nicht... Auf dem Papier fließt es. Nur der Sprung ins Netz ist noch schwierig. Deshalb hilft ein freundlicher Kommentar sehr.
Die Alphabetreihe ist eine Idee von Campell Walker / Struthless
Das Wort Collage
um neunzehnhundertzehn erfunden
für Klebebild
weil da die Welt begann
uns um die Ohren zu fliegen
und wir versuchten
sie wieder zusammen zu kleben
welches Wort
finden wir heute
Die Fenster vernagelt
die Türen zugemauert
ein trostloser Bahnhof
Züge rauschen vorbei
und manchmal
hält auch hier einer
da steht jemand
vor dem trostlosen Bahnhof
mit leuchtendem Gesicht
und erwartet dich
Mein zweites Gedicht in der Alphabetserie. Ich hänge hinterher, eigentlich sind wir in dieser Woche schon bei D.
Doch ich bin sicher, ich komme wieder rein, ins regelmäßige Schreiben.
Die Aktion Alphabet Superset
Abfallkalender
Schön zu wissen,
wann welcher Müll
entsorgt wird.
Doch wie werde
ich den Gedankenmüll los?
Und wer entsorgt mir
meine Sorgen?
Campbell Walker aka Struthless hat eine kreative Aktion gestartet und viele Menschen machen mit: Alphabet Superset. 26 Wochen lang ETWAS kreatives veröffentlichen, jeweils zu einem Buchstaben des Alphabets. Dieses ETWAS bleibt gleich und ich kann es mir aussuchen. Ich dachte mir, ich schreibe Gedichte. Gedichte zu Alltagsbegriffen. Den Anfang macht also A wie Abfallkalender. Vielleicht finde ich so zurück zum Schreiben auf meinem Blog. Das Schreiben am Schreibtisch klappt nämlich. Nur der Sprung ins Digitale fällt schwer.
Danke an alle, die hier treu lesen und kommentieren.
kein geschäft gemacht
kein kapital aufgebaut
keine existenz gegründet
mein leben rechnet sich nicht
mein dasein zählt
Zurückgekehrt zu dem, was zählt. Zurückgekehrt zum Schreiben. Ich bin wieder hier.
Was man nicht kaufen kann,
würde ich auf den Wunschzettel schreiben.
Frieden vor allem
würde ich drauf schreiben-
Doch was sollte das bringen?
Wer sollte den bringen?
Der liebe Gott, der Weihnachtsmann?
Weil das also sinnlos ist,
würde ich nichts mehr schreiben.
Wunschzettel hätten sich
für mich erledigt.
Weißt du, was ich mir wünsche?
Dass ich trotzdem
hoffen kann.
Was mich über leben lässt,
werde ich auf den Wunschzettel schreiben.
Hoffnung vor allem
werde ich drauf schreiben.
ich stelle mich vor
und stell mir dabei vor
eines tages muss ich mich
nicht mehr verstellen
dann stehe ich zu mir
und meinem scheitern
ich stell mir vor
dass scheitern dann
kein scheitern mehr ist
sondern wachstum
Ein halbes Jahr herrschte Schweigen auf diesem Blog.
Nun habe ich das Gefühl, mich neu vorstellen zu müssen.
Was war los?
Der Traumjob als Lehrerin hat sich als Falle erwiesen. Ich habe es nicht mehr geschafft.
Jetzt, im neuen Schuljahr, probiere ich es noch einmal. Mit weniger Stunden.
Was war los? Ich habe in diesen Monaten viel geschrieben. Nur für mich. Meine Kreativität hat mir durch die Täler geholfen. Es ist an der Zeit, hier davon zu erzählen.
Was mir Hilfe war, will ich teilen.
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zerstörte häuser
zerbombt schwarz kaputt
auf @zelenskiy-official
scrollen
ein helles esszimmer
mit großem holztisch
auf @solebich
scrollen
Die Oberlausitzfahne hat die gleichen Farben wie die ukrainische Flagge. Das wusste und mochte ich schon immer, jetzt mag ich es noch mehr.
Meine Schule geht in den Notbetrieb. Viele Infektionen unter den Kindern. Viele kranke Lehrkräfte. Die Schule bleibt offen, wer will, kann sein Kind schicken. Wer kann, soll es zu Hause behalten. (Jetzt, Ende März, halten wir es schon die dritte Woche so.)
Eine Geburtstagsfeier. Corona ist Thema. Die hohen Spritpreise sind Thema. Vom Krieg wollen wir heute nicht reden. Es ist Geburtstag.
Meine Heimatstadt Herrnhut feiert dieses Jahr 300-jähriges Gründungsjubiläum. Ich werde als Historikerin meinen Senf dazu geben. (Bei einem Vortrag im Mai.) Momentan bin ich noch am Forschen. (Zur Jubiläums- und Erinnerungskultur) Die Konzentration auf die Vergangenheit wird immer mehr zu meiner Insel in dieser bedrückenden Gegenwart.
Im März jährt sich der Beginn der Erkrankung meines Sohnes. Inzwischen sind es 19 Jahre. Erst war er sehr krank, dann chronisch krank, dadurch kam es zu einer Behinderung. 19 Jahre. Eigentlich brauche ich mich nicht zu fragen, warum ich so erschöpft bin.
Meine Tante aus Thüringen bringt uns zwei Flaschen Rapsöl mit.
Aus irgendeinem Grund geht Malen und Zeichnen gerade besser als Schreiben.
Nico, erste Klasse, fragt, was wir Großen uns wünschen würden. Von der guten Fee. Wenn wir zwei Wünsche frei hätten. Und sagt auch gleich, was es bei ihm wäre: „Als erstes würde ich Corona abschaffen. Und als zweites würde ich den Krieg abschaffen.“
Mir ist so kalt trotz Himbeertee.
Die Wintersonne liebt den Schnee.
Der Eiswind singt schon wieder.
Und auch die Amsel:
Frühlingslieder.
Zurzeit blogge ich so oft, dass ich jedes mal beim Betreten meiner Schreibtischwelten mein Passwort zurück setzen muss. Weil ich es über die lange Zwischenzeit vergessen habe!
Mein Vorsatz für 2022 war: mindestens einmal im Monat bloggen.
Schon im Januar ist es knapp damit geworden.
Das lag am Januar - ihr wollt es gar nicht wissen. Was in den Schulen los ist, wie sehr wir alle nicht mehr können, wie die Kraft fehlt.
Deshalb ist dieses Gedicht ein Sieg! Mein Widerstand. Die Umstände haben mich nicht gänzlich aufgefressen.
Und die Hoffnung, die Hoffnung ist noch da.
Oh Gott
ich kann nicht mehr
Oh Gott
was soll ich tun
Oh Gott
bist du weit weg
Im vergangenen Sommer habe ich jeden Tag habe ich einen Engel gezeichnet. Dabei war diese Zeit, verglichen mit jetzt, so schön normal. Und doch - was für ein Jahr. Eben bin ich erschrocken, als ich merkte, ich habe seit Januar hier im Blog nichts mehr geschrieben! Was für ein Jahr.
Es ist nicht die einfachste Zeit, um Lehrerin zu sein. Und natürlich geht es uns Lehrer*innen noch viel besser als denen, die in der Pflege und überhaupt im Gesundheitswesen arbeiten. Erschöpft, tief erschöpft sind jetzt so viele.
Ja, ich weiß, so ein Engel auf Papier hilft nicht viel. Aber das Zeichnen, das Umsetzen in Gelliprint, das Posten hier... mir macht es das Herz ein wenig leichter. Wie immer ist Kreativität mein starker Anker. Das werde ich ab jetzt hier wieder zeigen.
Panikherz
Könntest du bitte
ruhiger schlagen,
mein Panikherz?
Schlag ruhig.
Lauf nicht im Galopp
schon am Morgen los.
Als wäre die Katastrophe
hinter uns her.
Schlag ruhig.
Die Katastrophe hat uns
längst eingeholt.
Dennoch sind wir nicht
stehen geblieben.
Schlag ruhig.
Schlag weiter.
Panikherz.
Eine der besten Dinge im eben zu Ende gegangenen Jahr war, dass Schreiben immer noch geht, wenn vieles Andere nicht mehr möglich ist.
Ja, das letzte Jahr hat mir sogar eine erste Gedichtveröffentlichung auf Papier möglich gemacht. Im 28. Band von Das Gedicht ist ein Gedicht von mir abgedruckt. Der Anton G. Leitner Verlag hat das schöne Motto: Poesie rettet den Tag.
Dem stimme ich zu. Darum lasse ich dieses neue Jahr mit einem Freitagsgedicht beginnen.
Danke fürs Vorbeischauen und Lesen.
Kommt gut an in diesem noch so neuen Jahr.
Es ist kein Problem, wenn mir mal die Worte fehlen. Es gibt genug davon überall zu finden. Im Herbst habe ich angefangen, Corona-Worte zu sammeln. Wortzusammensetzungen mit Corona aus der Sächsischen Zeitung.
Davon gibt es reichliche Auswahl und sie beschreiben die Situation umfassend.
Diese Sammlung aber zeigt mir vor allem, wie sehr meine Wahrnehmung von Corona geprägt ist. Erst nach dem Aufkleben bemerkte ich, dass ich den Container-Dreck in Bild 2 als Corona-Dreck gelesen habe!!!
Hoffen wir, dass die Zeitungen bald von Corona-Entspannung schreiben können und von Corona-Erleichterung wegen sinkender Corona-Zahlen.
P.S. Meine bildliche Beschäftigung mit der Corona-Situation habe ich auf Instagram gezeigt.
Ab jetzt kannst Du Dir hier Umarmungsgutscheine herunterladen und verschenken. Denn wir vertrauen darauf, dass die Zeit der Umarmungen wieder kommen wird.
Die Zeichnung entstand im Zuge der AufbauPost, ich habe sie digital bearbeitet und nun darfst Du sie weitergeben. Den Gutschein gibt es in zwei Varianten, mit und ohne Text.
Aktualisierung am 22.11. Aus beruflichen Gründen beende ich diese Aktion heute.
Du kannst Post von mir bekommen. AufbauPost. Diese Aktion habe ich mir ausgedacht. Aufbauen soll diese Post zuerst mich. Denn sie ist etwas Schönes, Kreatives, Sinnvolles; kurz etwas Aufbauendes, dass ich in diesen Zeiten tun kann. Und sie ist etwas, das ich sicher planen und gestalten kann!
Dir soll sie natürlich auch Freude bringen. Jede Post gestalte ich extra und sie enthält ein nur für Dich geschriebenes Gedicht sowie Collagen, Drucke oder ähnliches aus meiner Kreativwerkstatt.
Wenn Du AufbauPost erhalten willst, dann schreibe mir über das Formular Deine Adresse und beantworte mir noch einige Fragen, damit das mit der Personalisierung klappt.
Deine Daten nutze ich nur für diese Aktion. Sie werden nicht weiter gegeben.
Diese Aktion ist auf den November beschränkt. Und die AufbauPost ist für Dich gratis, aber hoffentlich nicht umsonst.
Neben dem Aufbaueffekt soll sie auch ein Zeichen gegen die Kommerzialisierung unserer Welt setzen.
Ich freu mich auf Deine Postwünsche.
Deine Lucia
Bilder aus einem Fotoalbum vom Flohmarkt, über dass ich gar nichts weiß
Bilder aus meinem Urlaub auf Usedom, Sommer 2020
Gestern und heute: die Freude am Meer
ich schau so gerne
auf meine berge
in blauer ferne
sie sind wie ein
vertrautes gesicht
sie zeigen mir heimat
und verlassen mich nicht
Solche Frivolitäten wie die Postkunst kann ich mir wieder leisten, seit die Masterarbeit buchstäblich Geschichte ist.
Die Sommerpost 2020 sollte eine Briefmarke ins Blaue sein.
Mir klang dabei sofort etwas in den Ohren, was Jede und Jeder hier in der Oberlausitz kennt. Die Zeilen aus dem Oberlausitzlied:
wo der Neiße silbernes Band sich schlingt,
um der Berge grünen Kranz,
wo aus blauer Ferne der Jeschken winkt,
in der Abendsonne Glanz.
Der Berg Jeschken wollte aus seiner blauen Ferne auf meine Marke. Das liegt nicht nur am Oberlausitzlied. Meine Heimat-Berge sind mir wichtig, in den letzten Monaten habe ich das stark gespürt.
Das Gedicht entstand zur Briefmarke und wurde natürlich mit verschickt.
Gedruckt habe ich es mit einfachen Mitteln - zwischendurch hatte ich Zweifel wegen der Schlichtheit. Anders jedoch wollte und sollte es wohl nicht sein.
Ein Beipackzettel erklärte die Entstehung meiner Postkunst. In den nächsten Tagen gehen noch ein paar Extramarken auf die Reise...
Wer den Rundblick hier in der Oberlausitz genießen will: seit letzter Woche haben wir einen neuen Aussichtturm, hier wird über die Eröffnung berichtet und das Panorama gezeigt.
Liebe Grüße an alle PostkünstlerInnen, besonders an meine Gruppe 9 und an Tabea und Michaela, die das Ganze immer wieder auf die Beine stellen.
Ich räume das Regalfach leer, das mit meiner Fachliteratur vollgestopft war. Jetzt habe ich also meine Masterarbeit fertig geschrieben und abgegeben. Zwischen den Büchern steckt mein Notizbuch. Hochtrabend könnte man es wissenschaftliches Journal nennen. Es war mein wichtigster Helfer beim Schreiben der Masterarbeit. Wenn ich jetzt darin blättere, dann wird mir der verrückte und vor allem lange Weg bewusst, den wir gemeinsam gegangen sind.
Irgendwann im Jahr 2016 hatte ich eine Idee, worüber ich meine Masterarbeit schreiben wollte. Es sollte etwas mit Mittelalter sein – damit ich bei meiner Lieblingsprofessorin meinen Master machen kann. Und weil mich meine DDR-Biografie beschäftigte, sollte es auch damit zu tun haben.
So steht auf der ersten Seite des Notizbuches der Titel: Das Mittelalter hat ausgespielt. Die DDR-Geschichtswissenschaft und ihr Umgang mit einer ungeliebten Epoche. Unter dieser Überschrift habe ich meine Ideen im März 2017 bei einem Kolloquium an der FernUni Hagen vorgestellt. Ich wollte mein Thema durch ein universitäres Lehrbuch aus der DDR als wesentliche Quelle bearbeiten. Es gab heftige Diskussionen. Diese sind stichpunktartig im Notizbuch festgehalten. Zum Beispiel Fragen wie diese: Wie läuft die DDR-Geschichtswissenschaft? Was will das Lehrbuch und was macht die Wissenschaft tatsächlich? Wie verraten die „klugen“ DDR-Leute ihr eigenes Lehrbuch? Diese Diskussionen zeigten mir zweierlei: das Thema gibt was her. Und es bedarf noch mehr Arbeit, bis aus meinen Ideen ein machbares Konzept entstehen kann.
Ich blättere ein paar Seiten weiter und finde Nummern und Notizen. Die stammen von meinem Besuch im Bundesarchiv Berlin. Das bewusste Lehrbuch für deutsche Geschichte war ein Großprojekt. Die ausführlichen Dokumente der Vorarbeiten, Diskussionen, etc. zu diesem Lehrbuch findet man im Bundesarchiv. Das meiste war auf Microfiche archiviert, ich habe mir seitenweise Zeug ausgedruckt. Im Notizbuch sind die Listen dieser Drucke samt der entsprechenden Signaturen. Damit ich das später noch zuordnen kann. Auch vergilbte Post-Ist kleben dort.
2017 ist lange her. Es war auch das Jahr, an dem bei meinem Sohn die Ernährung umgestellt wurde und ich mich zur Diätassistentin verwandelte. Also nicht unbedingt ein Jahr mit sehr viel Luft, um die Masterarbeit vorzubereiten. Immerhin finden sich im Notizbuch Überlegungen, die sich auf das Archivmaterial beziehen und Notate zu meinen thematischen Lektüren. Ich versuche, meine Erkenntnisse über die Arbeitsweise der DDR Geschichtswissenschaft für mich in Bilder zu fassen. So notiere ich mir: Die Geschichte des Mittelalters ist wie ein Tonkrug, sie neu schreiben heißt, diesen Krug zu zerschlagen. Neues aber entsteht daraus nicht. Die Scherben werden mit dem Kitt des Marxismus-Leninismus zusammengehalten, die Form ähnelt dem, was man zu zerschlagen dachte.
2018 geht es erst im Herbst richtig weiter, da finden sich Aufgabenlisten, Kopierlisten, Aufzeichnungen zum Arbeitsstand und zur Arbeitsweise. Das erste Halbjahr 2018 hatte ich mit einem Recherche-Auftrag und der letzten Prüfung vor dem Master gut zu tun. Im Sommer fing ich meine neue Arbeit als Quereinsteigerin in einer Schule an. Es wäre gut, wenn ich den Masterabschluss bald machen könne, hieß es. Und ich wollte das Fernstudium auch gerne von der Backe haben. Aber der neue Job forderte mich sehr und ich schaffte wenig. Damit ich überhaupt sehen konnte, dass es vorwärts geht, fing ich an, im Notizbuch eine Art Tagebuch zu schreiben. 16.1.2019: Müde, Karl Marx piept mich an. Habe Literatur bestellt in Hagen. Aber wann soll ich die lesen?
Mir wurde klar, dass ich in diesem, meinem ersten Schuljahr die Masterarbeit nicht schreiben konnte.
Dann ging mein Laptop kaputt. Alle Daten, die ich schon für die Masterarbeit eingefüttert hatte, waren unerreichbar. In diesem Moment rettete mich das Notizbuch. Es hielt die wesentlichen Dinge verlässlicher fest, als mein Computer es konnte. Ich machte eine Liste dessen, was ich jetzt auch ohne Laptop tun konnte. Und das war erstaunlich viel. So arbeitete ich unverdrossen weiter, bis die Datenrettung mir meine Vorarbeiten zurückgab. Seitdem sicherte ich alles dreifach: auf dem neuen Laptop, auf einer externen Festplatte und ein einer Cloud.
Ich arbeitete auf eine erneute Präsentation beim Kolloquium im März 2019 hin. Das war nicht leicht, es fehlt mir die Spannkraft. Im Notizbuch finden sich entsprechende Selbstermunterungen: Dem Gefühl nach bin ich nun an einem Punkt, wo es sich entscheidet. Wenn ich beim Kolloquium etwas vorstellen will, dann muss ich ab jetzt sehr konzentriert arbeiten. Das fällt mir schwer, Konzentration und Kraft fehlen. Ich könnte die Präsentation auch absagen. Diese Präsentation wäre ein wesentlicher Schritt hin zum Beginn des eigentlichen Schreibprozesses. Durch das schreibende Nachdenken darüber im Notizbuch bekam ich neue Kraft und konnte noch am selben Tag hinzufügen, dass das Konzept für die Präsentation im Rohzustand steht. Yeah.
Das hatte also geklappt, ich stellte im März mein Thema vor. Inzwischen war alles konkreter geworden. Ich wollte Mittelalterbilder der DDR Geschichtswissenschaft in Handbüchern untersuchen, am Beispiel von zwei konkreten Herrschern. Zum Lehrbuch war ein weiteres Handbuch als Quelle dazu gekommen. Die Diskussionen nach meinem Vortrag waren wieder lebhaft. Aber diesmal wurde klar, dass mein Thema inzwischen solide aufgestellt ist. Die vielen Hinweise halfen mir sehr, alles weiter zu optimieren. Im April machte ich trotzdem gar nichts am Master. Im Mai gibt es wieder Notizen und ToDo-Listen. Im Sommer 2019 starben zwei Kommilitoninnen an Krebs. Die Trauer ist groß, doch im Notizbuch findet sich dazu wenig. Mir fehlten die Worte.
Im Herbst sollte es endlich ernst werden. Ich beantragte die Zulassung zur Masterarbeit und musste dazu alle absolvierten Prüfungen nachweisen. Das Zusammenstellen dieser Scheine zeigte mir, wieviel ich schon geschafft habe. Das machte Mut. Es wäre ja gelacht, wenn ich den Endspurt nicht auch hinbekommen würde. Aus Motivationsgründen listete ich die geschafften Prüfungen im Notizbuch auf. Ich reichte ein endgültiges Exposé bei meiner Professorin ein, das Thema, Vorgehen und Aufbau der geplanten Masterarbeit beschreibt. Grundlage für dieses Exposé war meine Präsentation vom März.
Im November 2019 beginne ich mit dem ernsthaften Schreiben. Das Thema lautet nun: Geschichte neu schreiben? Das Bild mittelalterlicher Herrscher in Handbüchern der DDR-Geschichtswissenschaft am Beispiel Otto I. und Friedrich I.
Ich bekomme von der FernUni meinen Abgabetermin: 3.6.2020.
Ab jetzt zeugen die Erfolgsprotokolle im Notizbuch vom Schreibprozess. Das Datum und eine kurze Notiz, was ich gemacht habe. So helfe ich mir selbst dabei, den Fortschritt zu dokumentieren. Es ist tatsächlich so, dass kleine Schritte weit tragen. 11.12. Erste zwei Absätze für Kapitel 2.3 geschrieben. 12.12. Kapitel 2.3 fertig. 15.12. Ergänze Kapitel 2.3 / Überarbeiten.
Ich kringle die Tage ein, an denen ich am Master gearbeitet habe. Mein Ziel ist es, nicht mehr als zwei Tage hintereinander ohne Kringel zu lassen. Es ist schwer, Arbeit, Familie und Masterarbeit zu schaffen. Ich bin oft sehr erschöpft und die Nerven liegen blank. Ich komme mir vor, wie in einer permanenten Prüfungssituation. Doch die Fortschritte, die ich im Notizbuch protokolliere, helfen mir.
Das bevorstehende Kolloquium im März lässt mich aufleben. Solche Begegnungen sind die großen Kraftquellen im Fernstudium. Doch dann kommt ein neuartiges Virus, Corona genannt, dass alles auf den Kopf stellt. Das Kolloquium wird abgesagt. Auch die Schulen werden geschlossen. FernUnterricht ist angesagt. Die Fächer werden beschränkt, für mich gibt es dadurch etwas weniger zu tun. Ich sitze zu Hause, genieße am Anfang die ungewohnte Ruhe und schreibe an der Masterarbeit weiter. Im Notizbuch steht: Gibt es jetzt in Zeiten der Pandemie etwas Sinnloseres, als sich der Masterarbeit zu widmen? Es ist sinnvoll und mächtig und stark, denn in dem ich kontinuierlich daran weiter arbeite / schreibe, sage ich: es kommen Zeiten, in denen die Masterarbeit wieder wichtig ist. Wo das zählt. Und indem ich daran schreibe, drücke ich meinen Glauben aus: diese Ausnahmesituation geht vorbei. Ich arbeite für die Zukunft. Und nutze Ruhe und Zeit, die Corona mir schenkt.
Manchmal geht mir die Masterarbeit auch gehörig auf den Geist. Ich fühle mich mit ihr zusammen eingesperrt und sie ist kein besonders netter Zellengenosse. Eher aufdringlich und ständig Aufmerksamkeit fordernd. Im Notizbuch setze ich das Erfolgstagebuch fort. Hier finden sich auch Zitate, die es nicht in die Masterarbeit schaffen. Am liebsten habe ich das hier von Walter Ulbricht: „Unsere Geschichtsforscher befassen sich zu sehr mit der Vergangenheit.“
Von der FernUni bekomme ich wie alle Masterschreiber an meiner Fakultät eine Verlängerung von sechs Wochen gewährt. Wegen Corona. Das entspannt die Lage erheblich. Ich kann etwas gelassener arbeiten. Abgabetermin ist nun der 15.7. Ich will trotzdem eher fertigwerden und abgeben. Eine Freundin vom Fach liest im Mai die Masterarbeit Korrektur. Dann gehe ich in die Endrunde und überarbeite, korrigiere, formatiere und versuche, nicht durchzudrehen. Im Notizbuch gibt es eine letzte ToDo-Liste vom 10.6. Fußnoten polieren, Überschriften korrigieren, mit der Druckerei sprechen…
Am 18.6. geht die Datei zur Druckerei. Am 23.6. schicke ich die Exemplare an die FernUni. Es ist geschafft. Was für ein Marathon.
Das Notizbuch hat noch einige freie Seiten. Die werde ich füllen, wenn ich mein Ergebnis bekommen habe. Doch das Happy End steht schon fest: Ich habe es geschafft!
P.S. Doreen hat mich im Frühjahr 2019 zu meiner geplanten Masterarbeit befragt: Hier.
Ich lache
Tränen
und fange
an zu weinen
weil ich
merke
ich kann
wieder
Tränen
lachen
Die Masterarbeit ist abgeschickt.
Erleichterung pur.
Aber Tränen lache ich erst in einer Runde von Menschen, die so seit Anfang März nicht mehr zusammen sitzen konnte. Jetzt geht das wieder.
Durch die Lockerungen sitzen die Tränen locker. So meine These.
Noch eine These: dieser Blog wird wieder lebendiger. Weil, am Master muss ich nicht mehr stricken. Die Masterarbeit ist abgeschickt. Erleichterung pur.
Ohnmacht.
Sehnsucht.
Tränen.
Einsamkeit.
Rückzug.
Nichts!
Oh
Sonne!
Tulpen,
Eierlikör,
Romane,
Natur.
Homeoffice ist auch bei mir angesagt. Online unterrichten und ansonsten brav zu Hause bleiben. Eine privilegierte Situation, ich weiß. Aber beklemmend ist es trotzdem. Wie hält man das aus? Wer spricht in diesen Zeiten sogar vom Glück?
Hanns-Josef Ortheil schreibt in seinem Blog darüber und kann diesen abgeschlossenen Zeiten sehr viel positives abgewinnen. Er liest jetzt seinen LeserInnen auch aus seinen Büchern und Texten vor. In diesem Beitrag über seinen Schreibtisch (!!!) beendet er die Lesung mit den Worten: "entnehmen Sie diesem Leben, dass es jetzt gibt, soviel Glück wie möglich."
Kirill Serebrennikow sieht das ähnlich und er muss es wissen. Er stand anderhalb Jahre unter Hausarrest. Er sagt "Die Isolation ist ein Geschenk des Himmels." Er nennt 10 Gründe, warum das so ist. Grundsätzlich ist er der Meinung, dass wir diese Zeit als einen Neustart sehen sollten. Hier gibt es den Beitrag zum Nachhören.
Für ein eingeschränktes Leben können wir sehr viel von den Menschen lernen, die diesen Lebensstil immer praktizieren. Menschen im Kloster. Äbtissin Christina Reemts aus Mariendonk sagt, dass ein Leben, "das gerade dadurch, dass es nicht ständig Abwechslung und Zerstreuung bietet, uns fähig macht, wirklich schöpferisch zu sein, wirklich zuzuhören, wirklich das zu tun, was wir im Tiefsten wollen." Und der strukturierte Tagesablauf eines Klosters ist etwas, das uns jetzt inspirieren kann, unsere frei verfügbare Zeit weise zu nutzen.
Nebensachen kommen
nicht sofort
ans Licht...
Sie brauchen erst
eine Prise
Hamoniegestöber
im Schatten.
Als wir uns im Schreibkurs noch treffen konnten, haben wir in Worten geschwelgt.
Ausgeschnittene Worte aus ganz verschiedenen Zeitschriften. Es war eine Freude, daraus Texte zu bauen.
Ich zeige euch das heute als Anregung. Nehmt, was ihr herumliegen habt, schneidet Worte aus, schiebt sie hin und her... Es darf Quatsch herauskommen. Ich zeige euch meine anderen beiden Texte hier unten. ;-) Kindern macht das übrigens großen Spaß. Aber nicht nur ihnen.
Solches "Schreiben" hilft, wenn einem selbst die Worte fehlen.
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Einmal Gemüse ohne ALLES.
Mit Kartoffeln fängt es oft an.
der
Bratwurst
SKANDAL
eskaliert.
Zurück zu den Wurzeln
denn jetzt denkt
die Schule der Frauen
wieder.
Zwischen Acker
und Schreibtisch
werden
weise Worte
zu Ohrwürmern.
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